Martin Ploderer liest aus Stefan Zweigs "Die Welt von Gestern" das letzte Kapitel "Die Agonie des Friedens".
"...ich war nicht allein mit diesem Gefühl der Unsicherheit. Allmählich begann sich Beunruhigung über ganz Europa zu verbreiten. Der politische Horizont blieb verdunkelt seit dem Tage, da Hitler Österreich überfallen, und dieselben in England, die ihm heimlich den Weg gebahnt in der Hoffnung, ihrem eigenen Lande damit den Frieden zu erkaufen, begannen jetzt nachdenklich zu werden.
Es gab von 1938 an in London, in Paris, in Rom, in Brüssel, in allen Städten und Dörfern kein Gespräch mehr, das, so abseitig sein Gegenstand auch vorerst sein mochte, nicht schließlich in die unvermeidliche Frage mündete, ob und wie der Krieg noch vermieden oder zum mindesten hinausgeschoben werden könnte.
Blicke ich auf all diese Monate der ständigen und steigenden Kriegsangst in Europa zurück, so erinnere ich mich im ganzen nur zweier oder dreier Tage wirklicher Zuversicht, zweier oder dreier Tage, wo man noch einmal, das letztemal, das Gefühl hatte, die Wolke würde vorüberziehen, und man würde wieder friedlich und frei atmen können wie einst. Perverserweise waren diese zwei oder drei Tage gerade diejenigen, die heute als die verhängnisvollsten der neueren Geschichte verzeichnet sind: die Tage der Zusammenkunft Chamberlains und Hitlers in München..."
Lesung - Martin PLODERER
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